Christoph Hienle

Von vielen Seiten, innerhalb der SPD und auch sonst in der Gesellschaft, wird mehr politischer Streit gefordert. Man spricht von „Schärfung des Profils“, „Abgrenzung gegen den politischen Gegner“, und gerne fordert man auch „klare Kante zeigen.

Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Nur wenn alle Ideen auf den Tisch kommen und alle leidenschaftlich für die eigene Position ringen, kommt am Ende das Bestmögliche für unsere Gesellschaft heraus; und das ist es, was die Politik leisten soll. Niedriger hänge ich meinen Anspruch an unsere politische Elite nicht.

Dennoch beschleicht mich ein unangenehmes Gefühl dabei.Sind wir uns wirklich klar darüber, was wir hier fordern, und wie wir das selbst leben?

  • Klare Kante:Nach meiner Erinnerung war es Gerhard Schröder, der in den letzten Jahrzehnten am deutlichsten „klare Kante“ gezeigt hat – und zwar mit seinem „Basta!“ bei der Durchsetzung seiner Agenda 2010. Sagen nicht heute viele in unserer Partei, ein bisschen „Ja, aber...“ oder ein entschiedenes Brandtsches „sowohl als auch“ hätte Deutschland und der SPD besser getan?
  • „Abgrenzung gegen den politischen Gegner“: Ich sehe eine realistische Gefahr oder sogar einen Trend, dass man vor lauter Abgrenzung vergisst, was einem selber wichtig ist. Beispiel gefällig? Zahlreiche Linksliberale haben sich mit viel Energie und guten Argumenten gegen TTIP gewehrt. Dann kamen Trump und die AfD. Als die gegen TTIP zu wettern begannen, ließ sich CETA plötzlich fast geräuschlos verabschieden – ein Abkommen, das zuvor noch als „Blaupause für TTIP“ bekämpft worden war. Pauschalurteile verhindern hier, die Chancen von Freihandel und Globalisierung gerade für „Otto Normalverbraucher“ zu stärken und gleichzeitig die Risiken zu minimieren.
  • „Schärfung des Profils“: Das ergibt Sinn, wenn ich mir meiner Position sicher bin. Das gelingt natürlich dann, wenn ich wenig Widerspruch ernte. Und genau das passiert, wenn ich aus meiner Blase nicht herauskomme. Wenn meine wichtigsten Nachrichtenquellen die ZEIT und der SPIEGEL sind (die ICH-Form ist hier kein Zufall!), meine Diskussionsrunde nur aus SPD-Mitgliedern besteht und die eigene Meinung nicht bestätigende Zeitungsartikel als erstes nach der Herkunft („na klar – CDU-Mitglied, Wirtschaftsboss, Globalisierungs-Gewinner; was will man erwarten“) abgeklopft werden – dann bin ich mir sicher, immer recht zu haben. Und dann sind Wahlergebnisse tatsächlich eine Überraschung.

Tolle Worte, oder? Und nützen tun sie nichts, wenn wir keinen Weg aus unseren Blasen bzw. in die Blasen der Anderen finden. Sich auf einen Kaffee mit Bernd Westphal zu treffen, ist eine gute Idee. Am besten wäre es, wenn auch mal jemand aus einer anderen politischen Ecke aufschlagen würde, aber das ist wohl Wunschdenken!

Christoph Hienle