Die SPD feiert 2013 ihr 150jähriges Jubiläum - ein Jubiläum, das die SPD mit Stolz und Selbtsbewusstsein begehen kann und sollte, dass aber auch der Selbstverständigung dienen sollte. „Selbstverständigung, Identitätsbestimmung ist für die SPD eine notwendige und kontinuierliche Aufgabe“, so Willy Brandt 1981.

"150 Jahre SPD" ist der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des OV-Rundbriefes Grasdorf-Luttrum. Wolfgang Jüttner MdL, Mitglied der Grundwerte-Kommission beim SPD-Parteivorstand hat einen Artikel hierzu beigesteuert. Dieser Artikel findet sich in der Ausgabe 4/2012 des Rundbriefes für den OV Grasdorf-Luttrum. Es soll aber auch hier noch einmal dokumentiert werden.

150 Jahre SPD von Wolfgang Jüttner MdL, Mitglied der Grundwerte-Kommission beim SPD-Parteivorstand

Die SPD wird im nächsten Jahr 150 Jahre alt. Nur einen geringen Teil dieser Zeit hat sie politische Macht ausüben dürfen: einige Jahre in der Weimarer Republik, von 1969 bis 1982 und von 1998 bis 2005. Und gleichwohl ist sie nicht nur die mit Abstand älteste Partei Deutschlands, sondern sie hat die Entwicklung von einer Klassengesellschaft hin zu einem sozialen Rechtsstaat maßgeblich geprägt.

Entstanden parallel mit den Gewerkschaften war sie die Antwort auf Unterdrückung, Armut und Ausgrenzung. Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichberechtigung, praktisch der Kampf um die Würde aller Menschen, das waren die Losungen, hinter der sich nach 1863 immer mehr Menschen versammelten.
Die Antwort auf die Ausgrenzung der bürgerlichen Klassengesellschaft war die Schaffung einer eigenen Lebenswelt der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung: Partei, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kulturorganisationen, Sport, Zeitungen ….. Ziel war es, die politische Aufklärung der bürgerlichen Revolution zu vollenden und mit den sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts zu verbinden.

Viele Erfolge sind mit der Geschichte der Sozialdemokratie verbunden, die Bismarcksche Sozialgesetzgebung wäre ohne Erstarken der Sozialdemokratie Ende des 19. Jahrhunderts nicht denkbar gewesen; die Weimarer Verfassung atmet sozialdemokratisches Gedankengut – das Wahlrecht für Frauen z. B. musste 1919 gegen erbitterten Widerstand aller bürgerlichen Parteien durchgesetzt werden; die Entwicklung der kommunalen Demokratie nach 1945 – ohne Tausende aktiver SPD-Mitglieder gar nicht denkbar; die Entstehung des Grundgesetzes, die Friedenspolitik von Willy Brandt – der Friedensnobelpreis dokumentiert die weltweite Zustimmung; die vielen Gesetze zur Tarifautonomie und Mitbestimmung, zur Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme…..

Aber 150 Jahre Sozialdemokratie kennt auch Leiden: Wer sich vor 1914 als Parteimitglied bekannte, konnte oft genug – nicht nur während der Sozialistengesetze von 1878 bis 1890 – mit Repressalien rechnen. Und noch gravierender: unter den Faschisten sind Tausende von Sozialdemokraten mit Berufsverboten schikaniert worden, mussten ins Exil gehen oder kamen zu Tode.

Und wir verschließen auch nicht die Augen vor Fehleinschätzungen, Defiziten, Fehlern: so ist z. B. nicht immer gelungen, neue Fragestellungen wie die ökologische Herausforderung in den siebziger Jahren rechtzeitig zu erkennen, ist das Vertrauen auf den technischen Fortschritt lange zu undifferenziert gewesen, hätte dem Markradikalismus und der latenten Staatsfeindlichkeit viel massiver widersprochen werden müssen, um einige Themen der letzten Jahrzehnte anzusprechen.

Und trotzdem: wir sind stolz auf die vielen Generationen vor uns, die für ihre Ideale Zeit und Kraft geopfert haben, auf die vielen Erfolge, die die Sozialdemokratie im Interesse des Gemeinwohls erzielt hat. Wir glauben, dass unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität uns gute Orientierung geben, dass Freiheit ohne „Freiheit“ von Not und Armut nicht denkbar ist, dass zu wenig Gerechtigkeit die Demokratie gefährdet, dass ohne Frieden alles nichts ist, dass ohne Geschlechtergleichheit und Nachhaltigkeit Zukunft nicht gestaltbar ist. Und wir sind sicher, dass bei allen Defiziten die parlamentarische Demokratie allen anderen Formen von Machtausübung drastisch überlegen ist, dass es sich lohnt, für sie zu kämpfen.

Dafür braucht es auch Parteien, Mitgliederorganisationen, in denen die gesellschaftlich strittigen Themen diskutiert werden, die für gesellschaftliche Willensbildung unerlässlich sind.

Die SPD vor 150 Jahren wurde gegründet, um für eine bessere Welt zu arbeiten. Bei allen Fortschritten: Nichts bleibt, wenn es nicht verteidigt wird. Nichts kommt von allein, auch wenn es gesellschaftspolitisch geboten ist.

Dafür braucht es auch in Zukunft eine starke, selbstbewusste SPD!